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Der Online-Handel in Zeiten künstlicher Intelligenz

Künstliche Intelligenz kann Prozesse optimieren und automatisieren – auch im Online-Handel. Wo genau kann KI schon jetzt eingesetzt werden und was ist in der Zukunft möglich? Und wie ist der aktuelle Stand bei deutschen Online-Händlern?

Näher am Kunden durch künstliche Intelligenz

Natürlich ist ein persönlicher Kundenservice für die Zufriedenheit von Kundinnen und Kunden unerlässlich. Doch mit einem von künstlicher Intelligenz gesteuerten Chatbot können einfache und repetitive Anfragen ohne großen Aufwand beantwortet werden. Das entlastet zudem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundendienst, die sich dann um spezielle Fälle kümmern können. Der Chatbot ist außerdem zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar. So können einfache Probleme, die zum Beispiel noch von einer Bestellung abhalten, zügig aus dem Weg geräumt werden. Anhand der Anfragen von Kundinnen und Kunden werden die Antworten und Thematiken des Chatbots stetig optimiert und das Unternehmen erhält zusätzliche Informationen zu Problematiken im Shop. Vor allem, wenn die betroffenen Kundinnen und Kunden wegen einer „Kleinigkeit“ vielleicht nicht beim Kundenservice angerufen hätten. KI kann also dazu beitragen, die Zielgruppe besser zu beraten und besser zu verstehen. Das zeigt sich auch in der Optimierung von Produktempfehlungen durch künstliche Intelligenz. Sie kann anhand von Nutzerverhalten und Präferenzen weitere passende Produkte vorschlagen und so die Verkäufe ankurbeln.

Virtuelles Interieur Ansehen
Passt das Möbelstück in die Wohnung? Mit Augmented Reality kann das vorab geprüft werden.

Aus Echtzeit-Daten Schlüsse ziehen

Das Userverhalten ist bei weitem nicht das Einzige, das von einer KI analysiert und ausgewertet werden kann und anhand dessen Anpassungen vorgenommen werden können. Auch die Konkurrenz, ihre Produkte und Preise sowie Markttrends können analysiert werden. Anhand der Ergebnisse dessen lassen sich Preise dynamisch gestalten und Rabattstrategien umsetzen.

Zahlen aus Bestellungen und saisonalen Trends kann eine KI zudem dahingehend nutzen, dass sie eine Optimierung der Lagerbestände vorschlägt. So können Ladenhüter und Ausverkäufe gleichermaßen vermieden werden. Und vor allem letzteres sorgt dann wieder für eine erhöhte Kundenzufriedenheit, wenn Käuferinnen und Käufer nicht länger als gewöhnlich auf ihre Bestellung warten müssen. Auswirkungen auf die Lieferzeit hat außerdem die Optimierung von Lieferketten. Die KI kann hier nicht nur feststellen, wo sich Routen verkürzen lassen, sondern zum Beispiel auch, welche Produkte man gebündelt ausliefern kann und wie sie sich am effizientesten verpacken und absichern lassen. Das spart nicht nur Zeit, sondern außerdem Ressourcen und Emissionen – ein einfacher Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette.

Anzahl von Retouren effizient reduzieren

Ein großes Problem für die Nachhaltigkeitsbilanz von E-Commerce Unternehmen sind Retouren. Denn mit wachsender Beliebtheit des Online-Handels nehmen auch die Rücksendungen zu. Kundinnen und Kunden möchten die Artikel schließlich auch anprobieren, das Material fühlen und die Farben der Produkte live sehen. Vor allem bei Kleidung wird oft gleich eine Auswahl ein und desselben Stücks in unterschiedlichen Größen oder Farben bestellt. Da ist es nur logisch, dass auch einige Artikel wieder zurückgesendet werden.

Künstliche Intelligenz – im Zusammenspiel mit Augmented Reality – kann das Volumen von Rücksendungen nachhaltig reduzieren. Denn per XR-Technologie können potenzielle Kundinnen und Kunden Produkte einfach vor dem Desktop oder Handy virtuell anprobieren. So ist schnell geprüft, ob die Form der gewünschten Brille, Schnitt oder Farbton eines Kleides oder sogar die neue Haarfarbe zu einem passt. Auch dass sich ein Möbelstück oder etwa ein Teppich als zu groß oder zu klein für Wohnung oder Zimmer erweisen, wenn sie erst einmal zu Hause angeliefert und platziert wurden, lässt sich so verhindern.

Diese Technologie ist bei einigen E-Commerce Unternehmen wie zum Beispiel Mister Spex bereits im Einsatz. Insgesamt setzen laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom bisher allerdings nur knapp vier Prozent der befragten Unternehmen auf KI. Und das obwohl sie 56 Prozent als Wettbewerbsvorteil einschätzen. Auch die KI-Umfrage 2023 des Handelsverbands Deutschland ergab, dass rund 68 Prozent der Handelsunternehmen KI weder bereits einsetzen, noch planen, dies zu tun. Woran also hapert es noch?

Regeln und Risiken für den Einsatz von KI müssen bekannt sein

Einer der Gründe für die Scheu vor dem Einsatz der künstlichen Intelligenz könnten Bedenken bezüglich des Datenschutzes und der Privatsphäre sein. Beides wird in Europa besonders geschützt und Verstöße können empfindliche Strafen nach sich ziehen. Die KI sammelt und verarbeitet immerhin persönliche Nutzungsdaten, um daraus Schlüsse für den Online-Shop zu ziehen. Zudem ist die künstliche Intelligenz längst nicht unfehlbar. Das merken vor allem jene schnell, die KI zur Grafikerstellung verwenden und plötzlich Menschen mit zu vielen oder zu wenigen Fingern auf ihrer Grafik finden. Was hier noch harmlos und manchmal durchaus zum Schmunzeln ist, kann bei wichtigen Berechnungen weitaus schlimmere Auswirkungen haben. Die KI lernt noch. Ihre Ergebnisse und Optimierungsvorschläge müssen also meist eingehend geprüft werden. Hier denken sich wohl viele CEOs, dass sie die Arbeit dann ja gleich weiterhin selbst durchführen können. Die Fakten sind allerdings eindeutig – die KI kann Muster weitaus schneller erkennen als der Mensch und das können Online-Händler nutzen.

Damit mehr Unternehmen dies tun und KI eher als Chance und nicht nur als Herausforderung sehen, braucht es Klarheit. Wichtige Fragen im Umgang mit KI müssen beantwortet und rechtlich festgehalten werden: Wo darf ich KI einsetzen? Inwiefern darf die KI Kundendaten nutzen und mit ihnen arbeiten?

"EU Artificial Intelligence Act" soll Klarheit bringen

Auch die EU sieht den Bedarf für einheitliche Regelungen, die Bedenken nehmen und die Arbeit mit der künstlichen Intelligenz fördern. Deshalb hat sie den AI Act ins Leben gerufen – einen Vorschlag für eine europäische Verordnung für künstliche Intelligenz. Der AI Act soll zunächst verhindern, dass durch künstliche Intelligenz Menschen diskriminiert oder anderweitig geschädigt werden. Er stuft KI nach Risiko ein und schreibt anhand dessen Handlungen fest.

Anwendungen und Systeme, die als inakzeptables Risiko eingestuft werden, sollen verboten werden. Dazu zählt zum Beispiel ein staatlich betriebenes Social Scoring. Dieses wird in China eingesetzt, beinhaltet eine umfassende Überwachung von Privatpersonen und kann über den Erfolg bei der Job- und Wohnungssuche entscheiden sowie weitere Einschränkungen nach sich ziehen. Nicht verboten, jedoch stark eingeschränkt werden sollen zum Beispiel Tools, die Lebensläufe scannen und anhand dessen Bewerberinnen und Bewerber ranken. Zu den Aspekten mit begrenztem Risiko gehört zum Beispiel, das Nutzerinnen und Nutzer immer wissen sollen, dass sie mit einer KI und nicht mit einem echten Menschen interagieren. Das ist für Online-Händler vor allem beim Einsatz von Chatbots relevant, betrifft aber beispielsweise auch Deepfakes.

Durch Regelungen wie den AI Act soll in Zukunft sichergestellt werden, dass künstliche Intelligenz, die immerhin schon jetzt Einfluss auf viele Bereiche unseres Lebens hat, sich eher positiv als negativ darauf auswirkt. Schließlich sind die positiven Möglichkeiten, die man durch KI erreichen kann – von Alltag über Handel bis zur Medizin – mehr als zahlreich.

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