Trendwissen

Temu als Herausforderung für den deutschen Online-Handel

Der Online-Marktplatz Temu hat sich längst auch hierzulande einen Namen gemacht und lockt mit Schnäppchenpreisen. Was das für deutsche Händlerinnen und Händler bedeutet und wie sie sich dagegen behaupten können.

Rasanter Aufstieg der Shopping-Plattform

Temu ist der neueste Player unter den Marktplätzen, deren Motto es ist, möglichst viele Produkte unter die Menschen zu bringen und dabei mit extrem günstigen Preisen zu locken. Und das Konzept kommt an: Seit 2022 ist Temu am Markt und legt einen steilen Aufstieg hin – immerhin jeder vierte Deutsche kaufte bereits auf dem Marktplatz ein. Hierzulande liegt das Unternehmen schon jetzt auf Platz vier der beliebtesten Online-Marktplätze hinter Amazon, Ebay und Otto. Doch wie gelang dieser Aufstieg? Wie nachhaltig wird sich der Erfolg halten und welche Bedenken haben Konsumentinnen und Konsumenten bezüglich des Anbieters? Und vor allem, wie können sich deutsche Händlerinnen und Händler gegen die Big Player aus Asien durchsetzen?

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Temus Bekanntheit ist schon jetzt enorm: In Deutschland hat jeder vierte Konsument schon dort gekauft.

Breites Angebot trifft auf Schnäppchenpreise

Das Erfolgsrezept des Marktplatzes liegt wohl hauptsächlich in der Vielfalt der Angebote, schließlich gibt es hier von Kleidung über Haushaltsgeräte und Werkzeuge bis hin zu Haustierbedarf so gut wie alles. Damit kann sich Temu auch gegenüber anderen Marktplätzen aus Asien, wie Shein, Wish oder AliExpress behaupten. Kombiniert mit günstigen Preisen stößt der Online-Shop bei Kundinnen und Kunden, die nach der Pandemie vermehrt auf ihre Ausgaben achten, auf Wohlwollen. In Deutschland überzeugt Temu aber nicht nur durch das breite Angebot und günstige Preise. Hohe Zollkosten, mit denen Unternehmen aus dem nicht-europäischen Ausland sonst häufig zu kämpfen haben, umgeht Temu, indem es Teilsendungen unter einer Freigrenze von 150 € aussendet. Dieser Wettbewerbsnachteil gegenüber lokalen Anbietern entfällt also und stellt sie vor Herausforderungen bezüglich ihrer Konkurrenzfähigkeit.

Günstige Preise auf Kosten der Qualität?

Die günstigen Preise von Temu, aber auch von anderen Online-Shops, die aus China operieren, kommen nicht von ungefähr. Die Produktionskosten sind, kurz gesagt, viel geringer, damit aber auch Materialwert und Qualität und nicht zuletzt sorgen die Arbeitsbedingungen und Gehälter der Arbeiterinnen und Arbeiter für die Schnäppchenpreise. Mangelnde Qualität ist dabei auch ein häufiger Grund für Retouren. Die Rückgabebedingungen sind entgegen denen in Deutschland auf den unterschiedlichen asiatischen Marktplätzen aber nicht einheitlich und oft aufwändiger, als es hierzulande der Fall ist. In einigen Szenarien müssen unzufriedene Kundinnen und Kunden erst einmal Beweisfotos darüber liefern, das mit ihrer Bestellung etwas nicht stimmt. Auch einige Fragen müssen beantwortet werden und die Rückmeldung erfolgt oft erst Tage später. Dafür bieten die Händler eine längere Rücksendefrist an, als es in Deutschland Pflicht ist: Bis zu 90 Tage Zeit hat man bei Temu, um seine Bestellung zurück zu schicken. So praktisch das klingt – viele Kundinnen und Kunden bemängeln, dass ihre Rücksendungen gar nicht erst bearbeitet werden und sie ihr Geld nicht erstattet bekommen. Bedenken und Kritiken wie diese zeigen sich auch in den Bewertungen von Temu auf der Plattform Trustpilot: 36 % der Verbraucherinnen und Verbraucher sind unzufrieden. Sie beklagen nicht erhaltene Bestellungen, schlechte Qualität oder abgelehnte Erstattungsanträge. Kundinnen und Kunden, die mit fünf Sternen bewerten – immerhin 46 % der knapp 14.600 Bewertungen – erscheinen oftmals positiv überrascht, dass ihre günstig bestellte Ware überhaupt ankam und die schon zuvor geringen Erwartungen erfüllt.

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Chancen nutzen und von Temu lernen: Trends erkennen, Zielgruppen ansprechen und Marketingstrategien anpassen.

Was der Einzug von Temu für Händler in Deutschland bedeutet

Der Erfolgskurs von Temu in Deutschland stellt Händlerinnen und Händler vor Herausforderungen. Schließlich können sie mit den Preisen der asiatischen Online-Shops meist nicht mithalten und produzieren auch nicht in solchen Massen, wie es Temu, Shein, Wish und Co. tun. Doch das müssen sie auch gar nicht unbedingt. Es gibt andere Werte, mit denen sie Kundinnen und Kunden gewinnen und langfristig halten können, wie das Vertrauen in die Qualität ihrer Ware. Sie müssen ihre Vorteile gegenüber den asiatischen Online-Shops ausspielen: So kann auch der direkte Kontakt zur Kundschaft über Social Media Kanäle oder einen persönlichen Support-Channel ein enormer Pluspunkt sein und steht den anonymen und oft langwierigen Prozessen der großen Marktplätze entgegen. Langwierig ist zudem die Lieferung von Temu, schließlich braucht eine Bestellung ihre Zeit, um von China nach Deutschland zu gelangen. Hier können sich lokale Shops durch schnelle Lieferzeiten hervortun. Die kürzeren Lieferwege sind außerdem besser fürs Klima – heute ein Argument für viele, vielleicht doch zur Produktvariante aus Deutschland zu greifen.

Fazit

Eine Chance, neue Strategien zu entwickeln

Deutsche Händler können aber auch von Temu lernen. Zwar macht es kaum Sinn, die eigenen Preise an die Plattform anzupassen, da man so schnell Gefahr läuft, seine Ware unter Wert zu verkaufen. Doch Temu geht auf Trends ein und erreicht die junge Zielgruppe, indem es nicht nur in Werbeanzeigen in den sozialen Medien erscheint, sondern durch die Möglichkeit des schier endlosen Scrollens auch ein wenig an diese erinnert. Händler in Deutschland können die Trends auf Temu beobachten und darauf reagieren, wenn auch nicht so schnell wie der Online-Riese selbst. Und sie können sich Temu zum Vorbild für ihre Marketingmaßnahmen nehmen, vor allem, wenn ihre eigene Zielgruppe ebenfalls jünger ist.

Über den Autor
Micha Augstein
Micha Augstein ist Gründer und Geschäftsführer von PARCEL.ONE. Das Unternehmen agiert weltweit und ist spezialisiert auf den grenzüberschreitenden Versand von B2C- und D2C-Brief- und Paketsendungen.

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