Make or Buy – Fulfillment: Interview mit Michael Atug
Make or Buy – Fulfillment: Ja oder Nein?
Wir haben uns mit Michael Atug, dem „Digital Rockstar“ der deutschen E-Commerce-Branche unterhalten. Als erfolgreicher Online-Händler und Gründer kennt er die enormen Möglichkeiten von Online-Shops. Seit dem Jahr 2001 zeigt er, wie man Werkzeuge und Maschinen über den eigenen Online-Shop wie auch über Marktplätze erfolgreich verkauft. Mittlerweile ist er ein bekannter Berater, Speaker und Influencer und ist von keinem Branchenevent mehr wegzudenken.
Im Interview spricht er mit uns über seine Anfänge als Online-Händler und erzählt von seinen Erfahrungen zum Thema Make or Buy.
Erzähl uns ein wenig über deine Anfänge. Wie bist du zum Online-Handel gekommen?
Ich habe 1995 als 23-Jähriger mit einem stationären Werkzeughandel begonnen. War zu Beginn natürlich alles nicht so einfach, doch letztlich hat alles super geklappt. 2001 hat mein Azubi dann vorgeschlagen, ob wir nicht auf eBay verkaufen wollen. Das haben wir sofort ausprobiert und waren damit als einer der ersten Werkzeughändler überhaupt bei eBay vertreten. Definitiv ein großer USP für uns. Außerdem waren wir damals mit die Ersten, die eine Art Impressum in der Produktbeschreibung angaben. Widerrufsrecht etc. gab es ja alles noch nicht. Man konnte sich dann nämlich richtig über uns informieren, unseren Firmensitz recherchieren; Damit war ich als realer Händler ausgewiesen. Ein unglaublich wichtiger Schritt in Sachen Seriosität und Käufer-Vertrauen. Wir waren nicht irgendwelche Phantom-Händler, sondern echt und vertrauenswürdig. Das hat unseren Handel weit nach vorne gebracht.
Wir haben uns Jahr für Jahr weiterentwickelt. Wir sind progressiv gewachsen und immer größer geworden.
Hattest du in deinen Anfängen Hilfe oder warst du auf dich alleine gestellt?
Ich war die ersten fünf Jahre mehr oder weniger Einzelkämpfer. Natürlich hatte ich hier und da auch etwas Unterstützung. Also um genau zu sein: Ich war zwei Jahre alleine und hatte dann für den stationären Handel jemanden eingestellt. Mittlerweile sind wir ein neunköpfiges Team.
Skizziere uns doch mal die Evolution deiner Logistik: Wie war dein Anfangs-Setup, wie hat es sich entwickelt?
Anfangs waren Lager und Verkauf in der gleichen Halle. Aber seit 1995 sind wir mittlerweile fünf Mal umgezogen. Unser aktuelles Lager misst momentan circa 900 Quadratmeter. Parallel läuft gerade auch ein Bauantrag für eine neue Halle mit nochmal mehr als 400 Quadratmetern. Außerdem haben wir auch einen Teil der Ware an einen Fulfillment-Provider ausgelagert. Wir platzen aus allen Nähten.
Thema Make or Buy: Was machst du alles selber? Was hast du früh ausgelagert, womit willst du dich lieber selber beschäftigen?
Ich habe früher immer krampfhaft versucht, alles in Eigenregie zu machen. Seit zwei Jahren lasse ich aber mehr und mehr los; deswegen bin ich ja auch jetzt dieser Rockstar-Typ (lacht).
Das geht natürlich nur, wenn du dir schon finanzielle Rücklagen aufgebaut hast und gute Mitarbeiter hast, die Dir den Rücken freihalten.
Also, neben der schon erwähnten Waren-Auslagerung haben wir auch unseren telefonischen Kundenservice seit Anfang des Jahres an Telbes ausgelagert. Wir haben uns erst die Tage nochmal untereinander darüber unterhalten. Ganz ehrlich: Wir genießen das richtig. Die Jungs und Mädels von Telbes machen einen großartigen Job. Und wir können wieder konzentriert arbeiten und kreativ sein.
Was genau lagerst du jetzt aus? Was ist dein Fulfillment-Paket? Was ist mit deinem Lager, brauchst du das jetzt nicht mehr?
Wir haben natürlich die Schnelldreher bzw. die Renner ausgelagert. Die gehen täglich in größerer Stückzahl raus. Das ist eine Frage der Effektivität. Für uns macht das absolut Sinn. Unsere eigenen Lager nutzen wir selbstverständlich weiterhin.
Was war für dich das ausschlaggebende Argument, dich nach einem Fulfillment-Anbieter umzuschauen?
Vor allem personelle Gründe. Wenn du da Engpässe kompensieren musst – ich musste teilweise immer mal wieder selber im Lager mitpacken – kann es das ja nicht sein. Dann machst du dir eben auch Gedanken, wie man was und wo verbessern oder ändern muss. Mit einem starken Fulfillment-Partner kannst du dich ganz einfach auch wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn man dann die Kosten und den Aufwand dem Ertrag gegenrechnet, hast du das Ergebnis schwarz auf weiß auf dem Tisch liegen.
Welche Kriterien waren entscheidend für die Wahl des Fulfillment-Dienstleisters?
Wir mussten im Grunde keine Pro und Contras aufwiegen. Wir fanden unseren Partner über Empfehlungen, über klassische Mundpropaganda. Die räumliche Nähe spielt zum Beispiel keine Rolle. Dem Lieferanten ist es egal, wohin er liefert, und uns im Grunde auch. Wir müssen dadurch ja keine zusätzlichen Kosten über andere Kanäle egalisieren.
Wie hat sich der Ablauf einer Bestellung verändert, seitdem du einen Fulfillment-Anbieter hast?
Wir haben unser Plentymarkets-ERP so konfigurieren lassen, dass eingehende Aufträge automatisch in einen bestimmten Status geschoben werden. Und für diesen Status hat dann unser Fulfillment-Partner einen eigenen Zugang und zieht sich dort die Aufträge raus. Wir erhalten täglich einen Report und sind so immer up to date. Für den Kunden ändert sich nichts.
Allerdings bleibt das Retouren-Management inhouse. Das wollen wir schon selbst unter Kontrolle haben. So versteht man nämlich auch die Probleme.
Dein Rat als E-Commerce-Experte: Ab wann sollten sich Online-Händler mit Fulfillment beschäftigen?
Ich habe da eine ganz einfache Message: Hinterfrage dich, was du zukünftig wirklich noch selber machen willst. Fokussiere dich auf dein Kerngeschäft und auf das, was du am besten kannst.